Zu den fünf Renaissancegeigen des Freiberger Doms

Nicht nur jedes Instrument der fünf Freiberger Geigen an sich bietet den Spielern
viele neue Einsichten – ein ganz besonderes Erlebnis ist immer wieder, die Instrumente
gemeinsam zum Erklingen zu bringen, da sie erst im Consort ihre vollen
Klangmöglichkeiten entfalten.
Diese Erfahrung und die Tatsachen, dass diese Geigen einen Zettel des Randecker Geigenbauers
Paul Klemm tragen und den Engeln gemeinsam in die Hände gegeben wurden,
scheinen darauf hinzuweisen, dass es sich um ein Renaissancegeigenensemble handelt.
Erstaunlich, sieht man sich die fünf Instrumentengrößen und das Repertoire der Zeit
an: So bestehen Instrumentenfamilien, wie sie in der Renaissance zuhauf entstehen,
meist nur aus drei verschiedenen Instrumentengrößen: einem Sopraninstrument,
zwei Mittelstimmeninstrumenten meist gleicher Größe und einem Bassinstrument.
Und im Repertoire eines fünfstimmigen Ensembles wird zumeist ein zweiter Tenor
oder später ein zweites Sopraninstrument hinzugenommen.
Die Freiberger Engel hingegen behüten zunächst ein Sopraninstrument in der Größe
einer Geige und ein Alt-/Tenorinstrument, das in Größe und Zargenhöhe an eine
Tenorgeige/große Bratsche oder an ein kleines Bassinstrument, wie es später zum
Beispiel „violoncello da spalla“ genannt wird, denken lässt. Diese beiden Instrumente
sind in der bereits im 16. Jahrhundert klar überlieferten Stimmung der heutigen
Geige und Bratsche gestimmt.
Bei zwei der fünf Freiberger Instrumente handelt es sich um Bassinstrumente von
nur wenig voneinander abweichender Form und sehr kleiner Gestalt. Letztere legt die
damals auch übliche hohe Stimmung in F beziehungsweise G nahe – eine Quart oder
Quint über der später dominierenden Stimmung der 8-Fuß-Geigenbassinstrumente
in C beziehungsweise B. Bleibt noch die kleine Diskantgeige, Quartgeige oder, wie Praetorius sie 1617 beschreibt,
die „gar kleine Diskantgeige“ – dreisaitig und in g’ – d’’ – a’’ gestimmt.
Bereits durch diese besonderen Baugrößen klingt das Ensemble der fünf Instrumente
höher, quasi in engelsnaher Sphäre.
Will man vier oder fünf dieser Instrumente als Ensemble einsetzen, so spielt man,
wie in der Renaissance gebräuchlich, eine Quart oder Quint höher als notiert beziehungsweise
bei hoher Notation außerhalb der „normalen“ Beschlüsselung (Chiavette)
wie notiert und nicht nach unten transponiert.
Diese hohe Lage und die besondere Bautechnik machen den hellen und silbrigen
Klang aus, der diese Instrumente auszeichnet, und zeigen damit eine Ästhetik, die
sich durch den Verzicht auf einen bassorientierten Klang der Musik deutlich von
jener des Barock abhebt.

Susanne Scholz